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Sandra Albrecht

07 - Andy Warhol


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Kapitel 7: Schüsse.

Ich musste einen Scheck unterschreiben, als ich im Sterben lag.


Alias Hallodri Podcast Folge

 

Vieles, was Andy machte, löste die Grenzen des Gewöhnlichen auf und er vergaß dabei sich selbst, als Mensch zu schützen. Sein Atelier, seine Produktionsfabrik, war ein Ort für Kunstschaffende, FilmemacherInnen, SchauspielerInnen, MusikerInnen, Berühmtheiten, Drogen, Partymenschen usw. Viele Menschen hatten Zugang, gingen ein und aus.


An einem gewöhnlichen Tag arbeitete Andy in der Factory. Doch dann hörte er den Fahrstuhl rattern. Erst einmal nichts Ungewöhnliches. Ping! Die Türen öffneten sich. Valerie Solanas betrat das Stockwerk. Mit entschlossenem Blick zieht sie eine Waffe und beginnt, auf Andy zu schießen. Verzweifelt ruft er ihr noch zu: „Tu es nicht, Valerie!“ Doch der dritte Schuss trifft Andy in der Brust.


Die Frau, die die Gesellschaft zur Vernichtung der Männer gegründet hat, wollte, dass du ein Manuskript von ihr produzierst, aber du warst nicht daran interessiert, und sie kam eines Tages einfach in dein Atelier. Es waren viele Leute da, und du warst gerade am Telefonieren. Du kanntest sie nicht besonders gut, und sie kam direkt vom Fahrstuhl rein und fing an zu schießen.

Quelle 1


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VALERIE SOLANAS (ca. 1965) Photo by Howard Smith und das S.C.U.M. Manifest


Innerhalb kürzester Zeit brachte der Rettungswagen den lebensgefährlich verletzten Künstler in ein Krankenhaus. Einer von Andys Freunden soll Folgendes zum Krankenhauspersonal gesagt haben: Das ist Andy Warhol. Er ist berühmt. Er ist auch reich. Er kann jede Operation bezahlen. Um Himmels willen, tun Sie etwas.


Die amerikanische Philosophie ist wunderbar – je gleicher etwas ist, desto amerikanischer ist es auch.


Was bei einer Dose Coca-Cola so einleuchtend klingt, schwindet, wenn es um Leben und Tod geht. Dort spielt Reichtum plötzlich eine Rolle. Der Präsident trinkt dieselbe Cola wie der Penner, aber wenn er einen Unfall hat, wird der besser versorgt. 


Andy war für eine kurze Zeit klinisch tot. Ein Chirurg, der seinen Brustkorb öffnete und ihm eine Herzmassage verpasste, rette ihm das Leben. Zutiefst traumatisierter blieb er zurück. 



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Richard Avedon – Portrait of Andy Warhol, 1969, photo: avedonfoundation.org

Schon bevor auf mich geschossen wurde, dachte ich immer, ich sei eher halb als ganz da – im Grunde spürte ich, dass sich immer nur ein Fernsehprogramm anschaute, anstatt richtig zu leben.


Manche Leute sagen, dass das, was im Film passiert, unwirklich sei, aber tatsächlich ist es so, dass das, was dir im Leben passiert, unwirklich ist. Im Film sehen die Gefühle immer so stark und echt aus, aber wenn dir selber etwas passiert, kommt es dir vor, als sähest du alles nur auf dem Bildschirm – und du fühlst rein gar nichts.


In dem Moment, als mich die Kugeln trafen beziehungsweise von diesem Moment ab, war mir klar, dass ich ein Fernsehprogramm sah. Man wechselt vielleicht den Kanal, aber Fernsehen bleibt Fernsehen. 

- Andy Warhol

Quelle 2

Valerie Solanas stellte sich drei Stunden nach dem Attentat bei der Polizei. Ihre Motivation für den Angriff auf Andy Warhol war Wut: Sie war stink wütend, weil Andy ein Filmskript von ihr nicht für gut befunden hatte. Valerie war Anhängerin einer radikalfeministischen Gruppe namens S.C.U.M., was auf Deutsch „Abschaum“ bedeutet und gleichzeitig die Abkürzung für „Society for Cutting Up Men“ (Gesellschaft zur Zerstückelung von Männern) ist.


Diese Gruppe propagierte Gewaltverherrlichung und Menschenfeindlichkeit, was sich auch in dem extrem verstörenden S.C.U.M.-Manifest bestätigte, das sie verfasst hatte: Sie beschreibt Männer als wandelnde Fehlgeburten mit unvollständigen Chromosomen, die ihrer Meinung nach Selbstmord begehen sollten.


Als sie Andy ihr Drehbuch zeigte, fand er es so obszön, dass er sogar dachte, sie sei von der Polizei und wollte ihn reinlegen. Deshalb lehnte ab, das Drehbuch zu verfilmen. Andere berichteten, dass Andy das Maifest von S.C.U.M. von ihr geklaut hätte und in alten Zeitungsartikeln stehen Schlagzeilen wie: Er kontrollierte mein Leben!


Sie war so wütend auf Andy, dass sie ihren mörderischen Plan umsetzte und auf ihn schoss. Mit viel Glück überlebte er das Attentat. Sie wurde wegen Körperverletzung, illegalen Waffenbesitzes und versuchten Mordes zu drei Jahren Haft verurteilt. Da bei ihr psychische Probleme festgestellt wurden, verbüßte sie ihre Strafe in einer Psychiatrie. Andy wird das Trauma nie überwinden.

Quelle 3

Ich habe immer Angst, dass Verrückte genau das, was sie schon früher einmal getan haben, ein paar Jahre später wiederholen, selbstverständlich ohne sich daran zu erinnern, dass sie es schon einmal gemacht haben – sie sind im Glauben, Ihnen sei etwas völlig Neues eingefallen! Man hat 1968 auf mich geschossen, das war also die Achtundsechziger Version. Und dann muss ich immer denken: obwohl eine bestimmte Person eine 1970er auf Neuauflage vorhat und wieder auf mich schießt?

- Andy Warhol

Quelle 4


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Richard Avedon – Portrait of Andy Warhol, 1969, photo: avedonfoundation.org






 
Quellen:
  1. Warhol, Andy: Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück. Fischer Taschenbuch Verlag. Frankfurt am Main, 2009. S. 20.
  2. Warhol, Andy: Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück. Fischer Taschenbuch Verlag. Frankfurt am Main, 2009. S.85.
  3. https://www.spiegel.de/geschichte/attentat-auf-andy-warhol-a-947037.html
  4. Warhol, Andy: Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück. Fischer Taschenbuch Verlag. Frankfurt am Main, 2009. S.S83.


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